Geschichte des Impfens: Von der Pockeninokulation zur COVID-19-Impfung
Was sind Impfungen?
Impfungen sind der wirksamste Schutz gegen Infektionskrankheiten. Bei der Impfung werden entweder abgetötete (Totimpfstoff), abgeschwächte (Lebendimpfstoff) oder Teile von Krankheitserregern verabreicht. Dadurch wird das körpereigene Immunsystem angeregt, Antikörper zu produzieren. Das Immunsystem ist so bei nachfolgenden Kontakten mit dem Krankheitserreger vorbereitet und kann rasch auf eine Infektion reagieren, sodass die Krankheit nicht oder nur in abgeschwächter Form ausbricht.
Geschichte des Impfens
Die Idee, absichtlich eine abgeschwächte Form der Infektion herbeizuführen, um eine schwere Erkrankung zu vermeiden, ist wahrscheinlich sehr alt. Schon vor ca. 2.000 Jahren wurde etwa in Indien versucht, schwere Pockenerkrankungen zu verhindern, indem bei gesunden Personen Pustelsekret in Hauteinritzungen eingebracht wurde. Im 18. Jahrhundert kann diese Methode der Inokulation über das Osmanische Reich nach Europa: Lady Mary Wortley Montagu, Ehefrau des britischen Botschafters in Konstantinopel, ließ ihre Kinder unter großem öffentlichen Aufsehen inokulieren.
Kaiserin Maria Theresia (1717–1780), die selbst an Pocken erkrankte und drei Kinder an die Krankheit verlor, ließ ihre eigenen jüngeren Kinder auf diese Weise impfen. Sie und ihr Sohn und Nachfolger Joseph II bemühten sich um die Einführung der kostenlosen Pockenimpfung für die Bevölkerung. Die Impfung mit dem menschlichen Pockensekret war jedoch noch recht unsicher und blieb trotz der Bemühungen der Herrscherin eher unpopulär. (vgl. www.habsburger.net/de/kapitel/der-kampf-gegen-die-pocken )
Ende des 18. Jahrhunderts entwickelte der englische Arzt Edward Jenner (1749-1823) eine neue Methode, bei der mit dem für Menschen ungefährlichen Erreger der Kuhpocken geimpft wurde. Von daher stammt auch der Name Vakzination (lat. vacca = Kuh), der heute für alle Impfungen gebraucht wird. Mit Hilfe dieser neuen Impfmethode gelang es, die Bevölkerung weitgehend zu immunisieren und die Krankheit einzudämmen: In Österreich gab es in den 1920er Jahren die letzten Fälle; 1979 waren die Pocken weltweit ausgerottet.
Trotz der ersten Erfolge der Pockenimpfung waren bis weit in das 19. Jahrhundert die Ursache von Krankheitserregern und die Wirkungsweise der Immunisierung durch die Impfung nicht bekannt. Erst die Forschungsarbeiten von Louis Pasteur (1822-1895) und Robert Koch (1843-1910) führten zur Entdeckung der mikrobiologischen Krankheitserreger. Pasteur entwickelte in den 1880er und 1890er Jahren die Impfstoffe gegen Milzbrand und Tollwut. Die Pioniere der Infektionsforschung haben wichtige Arbeit geleistet, sich dabei aber oft fragwürdiger Methoden wie grausamer Tierexperimente und Versuche an Menschen bedient.
Etwas später entwickelten der deutsche Mediziner Emil von Behring (1854-1917) und der japanische Bakteriologe Shibasaburo Kitasato (1853-1931) das erste Serum (Antikörpergemisch aus dem Blut Genesener) gegen Diphtherie und kurz darauf die Impfung gegen Diphtherie. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden Impfstoffe gegen Tetanus und Keuchhusten (Pertussis) sowie gegen Gelbfieber und Grippe (Influenza).
Ein wichtiger Schritt war die Entwicklung eines Impfstoffes gegen Poliomyelitis (Kinderlähmung) in den 1950er Jahren durch Jonas Salk (1914-1995) auf der Basis toter Polioviren sowie kurz darauf eines Schluckimpfstoff durch Albert Sabin. Damit war es möglich die Poliomyelitis stark einzudämmen; das Ziel, diese Infektionserkrankung wie die Pocken ganz ausrotten, ist aber bis heute nicht gelungen.
Masern sind eine hoch ansteckende Infektionskrankheit, die für alle Altersgruppen ein schwerwiegende Folgen haben kann. Eine Impfung gegen Masern ist seit den 1960er Jahren verfügbar. Seit 1974 wurde sie in Österreich empfohlen, zuerst als Einzelimpfung, später als Kombinationsimpfstoff gegen Masern, Mumps und Röteln. Die Weltgesundheitsorganisation hat sich zum Ziel gesetzt, die Masern auszurotten. Davon sind wir aber noch weit entfernt: In Europa, auch in Österreich, gibt es immer wieder Masernausbrüche. (NB: Im Jahr 2020 wurden in Ö 25 Masernfälle registriert (Stand 10.11.2020); im Jahr davor waren 151 Fälle.)
In Österreich gibt es keine Impfpflicht, sondern Impfempfehlungen. Für Kinder und Jugendliche werden die wichtigsten der empfohlenen Impfungen im Rahmen des Kinderimpfprogramms kostenlos zur Verfügung gestellt, z.B. die Masern-Mumps-Röteln-Impfung, die Impfung gegen Diphterie, Tetanus und Pertussis, gegen Poliomyelitis u.a.
Haben Impfungen Nebenwirkungen?
Die Geschichte der Impfskepsis ist ebenso lang wie die der Impfungen. Kurz nach der Einführung der Pockenimpfung im 18. Jahrhundert waren bei weitem nicht alle Menschen vom Nutzen überzeugt. Die Furcht vor gefährlichen Nebenwirkungen der Inokulation war damals nicht ganz unberechtigt. In den zwei Jahrhunderten seither hat die Wissenschaft jedoch große Fortschritte gemacht und auch die Prüfung neu entwickelter Impfstoffe ist so streng, dass Impfungen heute sehr sicher sind. Unerwünschte Nebenwirkungen bei gesunden Menschen sind selten und in den allermeisten Fällen vorübergehend. Es kann jedoch sein, dass man sich unmittelbar nach einer Impfung schlapp fühlt oder die Einstichstelle etwas schmerzt.
Es gibt aber auch Personen, die nicht oder nur in Ausnahmefällen geimpft werden sollten, z.B. Personen, die gegen einen Inhaltsstoff allergisch sind, oder Personen mit geschwächtem Immunsystem. Um auch diese Menschen vor Infektionskrankheiten zu schützen, ist es wichtig, dass sich möglichst viele gesunde Personen impfen lassen, um so Ansteckungsketten zu unterbinden und die Krankheitserreger zu eliminieren.
Die neuen COVID-19-Impfungen
Das verheerende Ausmaß der Corona-Pandemie hat die Entwicklung von Impfstoffen dringend wünschenswert gemacht. Weltweit haben viele Staaten finanzielle Mittel dafür zu Verfügung gestellt. Seit Jänner 2020 arbeiten Wissenschafter*innen intensiv und vorrangig an der Entwicklung einer COVID-19-Impfung. Sie können dabei auf das Wissen und die Erkenntnisse aus vielen Jahrzehnten der Impfstoffforschung aufbauen. Innerhalb knapp eines Jahres ist durch diese weltweiten Anstrengungen die Enwicklung und Testung von mehreren COVID-19-Impfstoffen gelungen.
Mit Jänner stehen auch in Österreich bereits zwei ausführlich getestete und von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) geprüfte Impfstoffe zur Verfügung. Weitere Impfstoffe befinden sich in der letzten Testphase und werden voraussichtlich bald zur Zulassung eingereicht werden.
Die beiden verfügbaren Impfstoffe Comirnaty® (Biontech/Pfizer) und Spikevax® (Moderna) sind mRNA-Impfstoffe. Diese funktionieren so: Eine messengerRNA ist gewissermassen der Bauplan eines Proteins, im Fall der COVID-19-Impfsstoffs der Bauplan eines Spikeproteins des SARS CoV-2. Durch die Impfung gelangt diese Bauanleitung in die Zellen. Hier wird nun das Spikeprotein nachgebaut und das Immunsystem damit konfrontiert, sodass es darauf reagieren kann. Trifft das Immunsystem später auf das Virus, erkennt es das Spikeprotein wieder und leitet die Immunabwehr ein. Hier erklärt der Molekularbiologe Martin Moder die Wirkungsweise (Video).
Sogenannte Vektorimpfstoffe wirken durch veränderte Viruspartikel (virale Vektoren), die das Immunsystem auf einen möglichen Kontakt mit dem ganzen Virus vorbereiten. Die Impfstoffe Vaxzevria® (AstraZeneca/Oxford) und COVID-19 Vaccine Janssen® (Johnson & Johnson und Janssen) beruhen auf dieser Wirkungsweise, ebenso der russische Impfstoff Gam-COVID-Vac (Sputnik V), der allerdings in Österreich nicht zugelassen ist.
Alle zugelassenen Impfstoffe haben in den Testungen gute Wirkung gegen den Ausbruch der Erkrankung nach einer Infektion mit dem Corona-Virus gezeigt. Seit Beginn der Massenimpfungen liegen ausreichend Daten aus verschiedenen Ländern vor, die nahelegen, dass alle Impfstoffe sehr gut vor einem schweren Verlauf von COVID-19 schützen. Noch nicht ganz geklärt ist es, ob und in welchem Ausmaß eine geimpfte Person, die mit dem Virus in Kontakt kommt, diesen möglicherweise dennoch weitergeben kann, also für zumindest kurze Zeit ansteckend ist. Auch sind die Impfstoffe bisher nur für Personen ab 12 Jahren zugelassen; Kinder unter 12 können deshalb derzeit noch nicht geimpft werden.
Informationen zur Impfaktion in Österreich für verschiedene Zielgruppen und in mehreren Sprachen unter: sozialministerium.at
Eine Herausforderung ist auch noch die ausreichende Produktion und Verteilung der Impfstoffe. Impfungen werden weltweit in großer Zahl benötigt. Zudem sind besonders die RNA-Impfstoffe aufwändig in Lagerung und Transport, weil sie bei sehr niedrigen Temperaturen tiefgekühlt werden müssen. Das bedeutet, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis genügend Menschen geimpft sind, um die Weiterverbreitung des Corona-Virus einzudämmen. Bis dahin bleiben die nicht-pharmazeutischen Maßnahmen wie Hygiene, Abstand halten, Mund-Nasen-Schutz tragen und Kontakte reduzieren weiterhin wichtig!
Unterrichtsmaterialien zum Thema Impfen, Infektionskrankheiten und SARS CoV:
BZgA: Infektionskrankheiten vorbeugen – Schutz durch Hygiene und Impfung (ab 7. Schulstufe)
Unterrichtsimpulse: Noch Fragen zu Corona? (Grundstufe und Sekundarstufen)
Helmholtz-Wissenschaftscomic: KLAR SOWEIT? #80 Wie funktioniert eigentlich… eine RNA-Impfung? (ab 7. Schulstufe)
GIVE-Schwerpunktthema: Gesundheit & Hygiene
Dieser Artikel wurde am 14.1.2021 mit Informationen zu neuen COVID-19-Vektorimpfstoffen ergänzt und am 30.8.2021 aktualisiert.
Quellen:
Addendum (2018): Die Pockenimpfung – eine Erfolgsgeschichte.
https://www.addendum.org/impfen/pockenimpfung-erfolgsgeschichte/ (4.1.2021)
BMSGPK: Häufig gestellte Fragen zum Thema Impfungen. https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Impfen/H%C3%A4ufig-gestellte-Fragen-zum-Thema-Impfungen.html (5.1.2021)
BMBSGPK: Impfplan Österreich. https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Impfen/Impfplan-%C3%96sterreich.html (4.1.2021)
BMSGPK: Masern https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Uebertragbare-Krankheiten/Infektionskrankheiten-A-Z/Masern.html (5.1.2020)
Cennimo, DJ (2020): COVID-19 Vaccines. Medscape. https://emedicine.medscape.com/article/2500139-print (7.1.2021)
DAZ.online (2003): Medizingeschichte: Geschichte der Schutzimpfung. https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2003/daz-17-2003/uid-9640 (4.1.2021)
DAZ.online (2020): Impfen – ein historischer Überblick. https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2020/09/08/impfen-ein-historischer-ueberblick/chapter:1 (5.1.2021)
Falb, P. (2020): COVID – Impfstoffe und (keine) „Langzeitdaten“
https://verdareno.wordpress.com/2021/01/01/covid-impfstoffe-und-keine-langzeitdaten/ (7.1.2021)
infektionsschutz.de (2021): Imfpstoffe gegen COVID-19
https://www.infektionsschutz.de/coronavirus/schutzimpfung/impfstoffe-gegen-covid-19.html (30.8.2021)
Robert-Koch-Institut (2016): Antworten des Robert Koch-Instituts und des Paul-Ehrlich-Instituts zu den 20 häufigsten Einwänden gegen das Impfen. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Bedeutung/Schutzimpfungen_20_Einwaende.html (5.1.2021)
Winkler, A.: Die Welt der Habsburger – Der Kampf gegen die Pocken. https://www.habsburger.net/de/kapitel/der-kampf-gegen-die-pocken (5.1.2021)