Dossier: Flucht und Trauma – Praxistipps für Schulen

Bild: © iStock.com/AnnaStills
Kinder und Jugendliche, die vor dem Krieg aus der Ukraine geflüchtet sind, kommen derzeit in den österreichischen Schulen an. Viele dieser Kinder haben in ihrem Heimatland Schlimmes erlebt und müssen mit belastenden Fluchterfahrungen, mit dem Verlust ihres vertrauten Umfelds und möglicherweise enger Bezugspersonen, mit Ängsten und Unsicherheit bezüglich der Zukunft zurecht kommen.
Die Schule ist eine soziale Lebenswelt, die diesen Kindern und Jugendlichen Stabilität, Verlässlichkeit und Orientierung zurückgeben und sich damit positiv auf ihre psychische Gesundheit auswirken kann. Lehrpersonen, die geflüchtete und möglicherweise traumatisierte Schüler:innen in ihrer Klasse haben, sollten über Traumata und mögliche Anzeichen dafür informiert sein und wissen, wie sie diese Kinder und Jugendlichen gut unterstützen können.
Inhalt
- Trauma und Traumareaktionen bei Kindern und Jugendlichen
- Trauma-informierter Umgang mit geflüchteten Schüler:innen
- Hilfreiche Angebote zur Überwindung der Sprachbarriere
- Unterstützende Einrichtungen: Psychosoziale Angebote
- Hilfe in Krisen
- Informationen für Bildungseinrichtungen
Trauma und Traumareaktionen bei Kindern und Jugendlichen
Was ist ein psychisches Trauma?
Ein Trauma (Mehrzahl Traumata) ist eine psychische Ausnahmesituation, die durch überwältigende Ereignisse (z.B. Gewalttat, Krieg oder Katastrophe), die eine Bedrohung für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit des Betroffenen oder einer nahestehenden Person darstellt, ausgelöst wird.
(nach: gesundheit.gv.at: Seelisches Trauma – Was ist das? )
Linktipp
- Psychenet.de: Was ist ein seelisches Trauma?
Wie reagieren Kinder und Jugendliche?
Kinder und Jugendliche erleben, abhängig von Alter und Entwicklungsstand, belastende Ereignisse unterschiedlich und zeigen unterschiedliche Reaktionen. Häufig berichten Kinder von körperlichen Symptomen wie z.B. Bauchschmerzen, Übelkeit, Kopfschmerzen. Auch die psychischen Reaktionen sind vielfältig, z.B. Gereiztheit, aggressives Verhalten, depressive Stimmung, Ängstlichkeit, Rückzug, Schlafprobleme usw.
Linktipp
Trauma-informierter Umgang mit geflüchteten Schüler*innen
Lehrpersonen, die über Traumata und die Auswirkungen von Traumatisierungen informiert sind, können Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrung unterstützen, ihnen Stabilität und Sicherheit vermitteln und dadurch positiv auf ihre psychische Gesundheit einwirken.
Einige grundlegende Empfehlungen zum Umgang mit traumatisierten Personen:
- Körperliche und psychische Symptome nach traumatischen Erlebnissen sind eine normale Reaktion auf ein außergewöhnliches und schreckliches Ereignis.
- Mit Abstand zum traumatischen Erlebnis können sich körperliche und psychische Reaktionen teilweise von allein zurückentwickeln. Ist das nicht der Fall, ist psychologische und psychotherapeutische Hilfe zur Bewältigung des Traumas sinnvoll.
- Vermitteln Sie ihren Schüler:innen mit Fluchterfahrung, dass sie in der Schule willkommen, angenommen und in Sicherheit sind.
- Fokussieren Sie auf Stärken und auf Positives. Traumatisierte Menschen empfinden sich aufgrund des Erlebten häufig als schwach und hilflos. Daher ist es besonders wichtig, nicht zu sehr auf Defizite (z.B. mangelnde Sprachkenntnisse) zu schauen, sondern Stärken, das, was die Schüler:innen (schon) gut können, in den Mittelpunkt zu rücken.
- Achten Sie auf Dinge und Situationen, die Kinder und Jugendliche mit Fluchterfahrung triggern könnten. Unterrichtseinheiten oder Gespräche über Krieg und Flucht können andere Schüler*innen (z.B. Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan) an eigene traumatische Erlebnisse erinnern. Feiertage wie Muttertag oder Vatertag können für Kinder, die Elternteile verloren haben oder von ihnen getrennt sind, schwierig sein.
(nach: Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Ulm, S. 3; The Trauma-Toolkit 2013, S. 108ff; UNHCR 2020, S. 32)
Materialtipps – traumapädagogische Anregungen
Girzikovsky, Andreas (2015): Trauma – was tun in der Schule? Merkblatt für Lehrerinnen und Lehrer in der Beschulung von Flüchtlingskindern. (PDF)
Das Merkblatt informiert über Traumasymptome und mögliche Reaktionen auf Traumata; es enthält praktische Tipps zum Umgang mit traumatisierten Schüler*innen.
Schulpsychologie-Bildungsberatung (2016): Integration von schulpflichtigen AsylwerberInnen, anerkannten Flüchtlingen bzw. subsidiär Schutzberechtigten. Schulungsmappe für Schulpsychologie und Schulsozialarbeit. (PDF)
Das Kapitel „Trauma bei Kindern“ (S. 39-44) informiert über Traumata von vor Krieg geflüchteten Heranwachsenden und geht knapp auf den Umgang mit traumatisierten Schüler*innen ein.
Start & Start – Kids: Hilfreiche Tipps und Skills. Umgang mit Stress, Gefühlsregulation zur Stabilisierung bei (traumatischen) Belastungen. (PDF)
Erläuterungen zu Skills zur Stressregulation und praktische Anleitungen mit Übungsblättern.
Refugee Trauma Help: Was ist eigentlich ein Trauma?
Es wird erklärt, was Traumatisierung ist und bei betroffenen Menschen bewirkt, wie der Lebensalltag von geflüchteten Menschen aussieht und wie man traumatisierten Menschen helfen kann.
UNHCR (2020): Flucht und Trauma im Kontext Schule. Handbuch für Pädagog*innen. (PDF)
Das sehr umfangreiche Handbuch bietet praktische Tipps zur Traumpädagogik sowie verschiedene Skillstrainings (Methode der Traumapädagogik).
gesundheitsinformation.de: Trauma bei Kindern und Jugendlichen. Informationen für Lehr- und Erziehungskräfte (Broschüre zum Downloaden)
Die Broschüre erläutert, was ein Traum ist und welche Folgen Traumata für Kinder und Jugendliche haben. Sie bietet Empfehlungen für den Umgang mit traumatisierten Heranwachsenden.
Hilfreiche Angebote zur Überwindung der Sprachbarriere
Wir verstehen uns! – Video- und Telefondolmetschen in Bildungseinrichtungen. Kostenloses Angebot des Bildungsministeriums für elementare Bildungseinrichtungen, Volks- und Mittelschulen in insgesamt 61 Sprachen. In 17 Ad-hoc-Sprachen sofort verfügbar, ansonsten mit Anmeldung in wenigen Tagen.
Tüftelakademie: Bilderwörterbuch Ukrainisch-Deutsch (PDF): Wörter für Gegenstände und Personen aus den Bereichen Kleidung, Körperpflege, Wohnen, Küche, Krankheit, Schule usw. mit Aussprachehinweis.
Angekommen! bietet hilfreiche Informationen für nach Österreich geflüchtete Personen zu Themen wie Asyl, Gesundheitsversorgung, Schule, Alltagsleben usw. in mehreren Sprachen, unter anderem auch Ukrainisch.
Jugendrotkreuz.at: Materialien zur Unterstützung geflüchteter Kinder und Jugendlicher
Unterstützende Einrichtungen: Psychosoziale Angebote
Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie
Liste der Krankenhäuser für Kinder- und Jugendpsychiatrie, mit Ambulatorien sowie FachärztInnen mit Kassenvertrag nach Bundesländern gegliedert.
https://oegkjp.at
Österreichische Kinderschutzzentren
Beratung, Krisenintervention und Psychotherapie in Fällen von Gewalt oder Verdacht auf Gewalt gegen Kinder und Jugendliche.
http://www.oe-kinderschutzzentren.at/
Kärnten
ASPIS – Psychosoziales Zentrum für Flüchtlinge und Opfer von Gewalt.
Vielfältiges Hilfsangebot für traumatisierte Menschen: Psychotherapie, Betreuung und Beratung, Präventionsprojekt RESET.
https://aspis.aau.at/
Niederösterreich
JEFIRA – Interkulturelles Therapiezentrum Niederösterreich. Diakonie Flüchtlingsdienst
Traumaspezifische, kultursensible und dolmetsch-gestützte Psychotherapie, Gruppenpsychotherapie, psychiatrische Beratung.
https://www.diakonie.at/unsere-angebote-und-einrichtungen/jefira-interkulturelles-psychotherapiezentrum-niederoesterreich
Oberösterreich
OASIS – Therapiezentrum der Volkshilfe OÖ
Psychosoziale Betreuung und Therapie mit Dolmetsch für Flüchtlinge in OÖ.
https://www.volkshilfe-ooe.at/die-volkshilfe/stuetzpunkte-bereiche/fluechtlings-und-migrantinnenbetreuung/betreuung-gesundheit/psychosoziale-betreuung-fuer-fluechtlinge/
Salzburg
SOTIRIA – Krisenintervention und Psychotherapie für Asylwerber*innen
https://www.caritas-salzburg.at/hilfe-angebote/asyl-integration/krisenintervention-und-psychotherapie-fuer-asylwerbende
Steiermark
OMEGA – Transkulturelles Zentrum für psychische und physische Gesundheit und Integration
Offene Beratung, Klinisch-psychologische Beratung und Behandlung, Psychotherapeutische Behandlung, Gruppenangebote
https://www.omega-graz.at/gesundheit/
Zebra – Interkulturelles Beratungs- und Therapiezentrum
Interkulturelle Psychotherapie für Erwachsene, Jugendliche und Kinder, die aus ihrer Heimat flüchten mussten; Familienberatung
https://www.zebra.or.at/
Tirol
ANKYRA – Zentrum für interkulturelle Psychotherapie in Tirol
Traumaspezifische, kultursensible und dolmetsch-gestützte Psychotherapie, Gruppenpsychotherapie, psychiatrische Beratung.
https://www.diakonie.at/unsere-angebote-und-einrichtungen/ankyra-zentrum-fuer-interkulturelle-psychotherapie-in-tirol
Vorarlberg
FEBO – Psychologische Betreuung von Flüchtlingen
Psychologische Beratung, Psychotherapie
https://www.caritas-vorarlberg.at/hilfe-angebote/fluechtlinge/beratung-bildung/febo-entlastung-beratung-orientierung
Wien
AFYA – Interkulturelle Gesundheitsförderung
Programm für Kinder und Jugendliche „Kräfte stärken – Trauma bewältigen“
https://www.afya.at/
die boje – Akuthilfe für Kinder und Jugendliche bis 18
Krisenintervention, Diagnostik, Kinderneuropsychiatrische Behandlung, Kurzzeittherapie, Gruppentherapie und Arbeit mit Eltern bzw. Bezugspersonen.
http://www.die-boje.at/
HEMAYAT – Betreuungszentrum für Folter- und Kriegsüberlebende
Psychotherapeutische Unterstützung für traumatisierte Menschen
http://www.hemayat.org/
SINTEM Caritas Wien
Interkulturelle psychotherapeutische und psychologische Betreuung für Menschen mit Fluchthintergrund in Wien und NÖ.
https://www.caritas-wien.at/hilfe-angebote/asyl-integration/beratung-fuer-asylwerberinnen/psychosoziale-angebote/sintem
Hilfe in Krisen
Schulpsychologie: Bundesweite Hotline unter 0800 211 320 (Mo-Fr 8-20 Uhr und Sa 8-12 Uhr) sowie Beratungsstellen in allen Bundesländern
Sozialarbeiterische Beratung für Schülerinnen und Schüler in Russisch und Ukrainisch unter 0664/88380377 (Mo bis Do 8.00 bis 16.00 und Fr von 8.00 bis 13.00 Uhr)
BÖP-Helpline: Montag bis Freitag 9 bis 13 Uhr unter Tel. 01/504 8000 oder per Mail (helpline@psychologiehilft.at) kostenlos und anonym für Entlastungsgespräche. Online-Infoblatt Umgang mit den psychischen Folgen des Krieges in der Ukraine (Deutsch, Ukrainisch, Russisch)
Rat auf Draht: Notrufnummer 147, online-Beratung und Chatberatung (Mo-Fr 18-20 Uhr). online-Infos zur Selbsthilfe: Krieg in der Ukraine
Informationen für Bildungseinrichtungen
Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung: Information und Unterstützung für Schulen
OeAD Infopoint Ukraine: Materialien für den voruniversitären Unterricht und Unterstützung für Lehrkräfte
Österreichisches Jugendortkreuz: Ukraine – Infos & Helfen
Pädagogische Hochschule NÖ: Padlet Ukraine Krieg im Unterricht
Pädagogische Hochschule Steiermark: Padlet Ankunft ukrainischer Schülerinnen und Schüler in den Schulen
Schulpsychologie – Bildungsberatung: Informationen zum Ukraine-Krieg
Verwendete Literatur, Quellen:
Dartcenter.org: The Dart Center Style Guide for Trauma-informed Journalism
Girzikovsky, Andreas (2015): Trauma – was tun in der Schule? Merkblatt für Lehrerinnen und Lehrer in der Beschulung von Flüchtlingskindern. (PDF)
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie am Universitätsklinikum Ulm: Infoblatt Altersentsprechende Traumareaktionen (PDF)
Refugee Trauma Help: Was ist eigentlich ein Trauma?
Schulpsychologie-Bildungsberatung (2016): Integration von schulpflichtigen AsylwerberInnen, anerkannten Flüchtlingen bzw. subsidiär Schutzberechtigten. Schulungsmappe für Schulpsychologie und Schulsozialarbeit. (PDF)
Start & Start – Kids: Hilfreiche Tipps und Skills. Umgang mit Stress, Gefühlsregulation zur Stabilisierung bei (traumatischen) Belastungen. (PDF)
Traum-informed.ca (2013): The Trauma Toolkit. (PDF)
UNHCR (2020): Flucht und Trauma im Kontext Schule. Handbuch für Pädagog*innen. (PDF)